Die «Märkte» und das gute Leben

Liebe Leserinnen und Leser

Fallen Ihnen dieser Tage die Dinge des guten Lebens nicht auch schwerer als sonst? Die Konzentration, die Leichtigkeit, die Liebe zum Nächsten, die Freude, das Vertrauen, die Zuversicht – sie muss man wollen, sonst sind sie nicht da.
Wenn man nichts für sie tut, werden sie zugeschüttet von der Finanzkrise, verdrängt von den Ängsten, die durch die Medien getrieben werden und übertönt von den Zweifeln, die sich unbemerkt einschleichen: Kann das noch gut kommen? Wird uns was vorgespielt? Und werde ich selber getroffen, wenn die Kräfte sich befreien?

Die Zweifel sind vor allem unangenehm, weil sie eine Welt betreffen, in der plötzlich keine Regeln mehr zu gelten scheinen. Die wiederholten Krisengipfel können doch nur eine Bedeutung haben; dass die Regeln schon wieder nicht genügt haben, irgendeine Kernschmelze zu erkennen und wenigstens ein bisschen unter Kontrolle zu bringen. Die Welt und ihre Nationen scheinen nicht mehr von Regierungen regiert zu werden, sondern von ganz anderen Kräften, den «Märkten». Die «Märkte» bestimmen, welche Regierungen sparen müssen, auszuwechseln sind oder bezahlen dürfen. Die «Märkte» sind der neue Souverän. Irland verkauf auf Befehl der Rettungsschirmherren sein Tafelsilber, Griechenland hungert sich aus, Italien zittert, Frankreich bebt – und Deutschland zahlt. Die «Märkte» wollen es so.

Wer sind eigentlich diese «Märkte»? Gemütliche Bauersfrauen hinter Kohl- und Kürbisbergen? Fleissige Kassiererinnen im Supermarkt? Nervöse Börsenhändler vor ihren Bildschirmen? Oder die grauen Herren, die ihnen sagen, wohin der Rubel heute rollt?
Die ETZ Zürich hat die Daten von 43’000 multinationalen Firmen ausgewertet und festgestellt: 147 Konzerne kontrollieren die Weltwirtschaft. Diese schmale Spitze scheint mir immer noch zu breit. Unter den zwanzig mächtigsten Konzernen hat es nämlich fast ausschliesslich Finanzkonzerne. Sie und ihre paar Besitzer sind der wahre Souverän, der bestimmt wohin die Herde der Spekulanten gerade treibt und was die «Märkte» wollen.

Wir brauchen an der Welt nicht mehr zu zweifeln. Die Sicherheit ist fast absolut, dass es mehr gibt: mehr Krise, mehr Konflikt, mehr Krieg und mehr Chaos. Diese Ahnung wäre ja nicht so unangenehm, wenn sie nicht begründet wäre. Es darf irgendwie nicht wahr sein, was sich da abzeichnet.
Ich glaube, es sind die Kräfte, die wir gegen diese Ahnung investieren müssen, die uns für die Dinge des guten Lebens fehlen. Wer zweifelt, kann nicht achtsam sein, kann sich nicht freuen und vor allem nicht lieben, weder sich noch andere.
Erst wenn wir das Unvermeidliche akzeptieren, haben wir die Kraft, uns auf das Wesentliche zu beschränken, von Ballast zu befreien und leicht zu werden, gerade in dieser schweren Zeit.

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