Bargeld spielt eine kleine Rolle in der Kriminalität

Die Abschaffung des Bargeldes kann die Schattenwirtschaft und die Terrorfinanzierung nur unwesentlich beeinflussen. Zu diesem Schuss kommt einer der führenden Experten für Schattenwirtschaft, der Linzer Ökonomieprofessor Friedrich Schneider in einer noch nicht veröffentlichten empirischen Studie  mit dem Titel«Restricting or Abolishing Cash: An Effective Instrument for Fighting the Shadow Economy, Crime and Terrorism?»

Genau damit soll aber gemäss einer Empfehlung des Int. Währungsfonds die Bargeldabschaffung begründet werden («The Macroeconomics of De-Cashing»). Der Schluss liegt nahe, dass damit ganz andere Ziele verfolgt werden. Das Bargeld ist in den meisten Ländern das einzige gesetzliche Zahlungsmittel, das den Bürgern zur Verfügung steht. Wenn es abgeschafft wird, wären wir gezwungen, die Transaktionen über Bankkonten abzuwickeln, d.h. mit privatem Geld und mit erheblichen Kontrollmöglichkeiten.

Friedrich Schneider kommt in seiner Studie zu folgenden Schlüssen (Übersetzung Norbert Häring):
• Für Terroranschläge ist nicht viel Geld nötig und Terroristen können auch sehr strenge Bargeldrestriktionen leicht umgehen.
• Schweden, wo kaum noch mit Bargeld bezahlt wird, hat immer noch eine beträchtliche Schattenwirtschaft.
• Eine völlige Abschaffung des Bargelds könnte die Schattenwirtschaft um 20% verkleinern.
• Der Einfluss auf die Korruption ist etwas größer, aber auch hier ist Bargeld kein entscheidender Faktor.
• Die Bedeutung von Bargeld für die organisierte Kriminalität nimmt ab.
• Restriktionen der Bargeldnutzung oder die völlige Bargeldabschaffung würden die bürgerlichen Freiheiten extrem beschränken.
• Die Abschaffung oder strikte Begrenzung von Bargeld bringt das Risiko mit sich, das Vertrauen in den Staat ernsthaft zu beschädigen und könnte deshalb als Instrument zur Ausweitung staatlicher Kontrolle kontraproduktiv sein.

Bemerkenswert: Friedrich Schneider konnte seine Studie an der internationalen Bargeldkonferenz «War on Cash» der Deutschen Bundesbank vom 20. bis 23. April auf der Insel Mainau vorstellen.

Auch in der Schweiz, wo das Bargeld auf Gesetzesstufe als einziges gesetzliches Zahlungsmittel festgelegt ist, sind offenbar Bestrebungen im Gang, seine Stellung zu unterminieren.
So nahm das Schweizer Fernsehen die Herausgabe einer neuen Zwanzigernote am 10. Mai zum Anlass, sich am Vorabend in einem Schwerpunktbeitrag in der Sendung «zehn vor zehn» mit dem Bargeld zu beschäftigen. Über zehn Minuten dauerten die drei Beiträge. Ins Studio geladen wurde kein Experte, sondern der hauseigene Wirtschaftsredaktor Reto Lipp. Zwischen ihm und dem Moderator Arthur Honegger entwickelte sich ein völlig unkritisches Gespräch, in dem viele Halbwahrheiten kolportiert und Entscheidendes nicht gesagt wurde. Unter anderem bedauerte Arthur Honegger den fehlenden politischen Willen zur Abschaffung des Bargeldes, wie er etwa in Skandinavien besteht. Reto Lipp sagte darauf, das Bargeld sei nie weit weg von kriminellen Aktivitäten wie Waffenschmuggel, Drogenhandel und Steuerhinterziehung, mit denen viele Länder ihre Bestrebungen begründeten, das Bargeld abzuschaffen. Kein Hinweis, dass Bargeld dabei eine immer kleinere Rolle spielt und der Betrug bei elektronischen Transaktionen in grossem Wachstum begriffen wird. Kein Wort, dass Bargeld das einzige gesetzliche Zahlungsmittel ist und selbstverständlich auch kein Hinweis darauf, dass wir beim elektronischen Bezahlen den Banken entweder Kredit geben müssen (jedes Bankguthaben stellt in seiner Rechtsnatur einen Kredit an die Bank dar) oder bei ihnen Kredit aufnehmen müssen. Wenn man schon einem Journalisten den Vorzug vor einem Experten gibt, darf man etwas mehr Recherche und Unabhängigkeit erwarten als die blosse Wiedergabe der Argumente der Bargeldabschaffer.

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