Nationalbank blockiert unerwünschte Anträge an die Generalversammlung

«Schweizer Franken» soll nur noch das gesetzliche Zahlungsmittel der Nationalbank heissen dürfen, aber nicht mehr das Surrogat der privaten Banken, das diese aus dem Nichts schöpfen. Und alle Bürger sollen ein pleitesicheres Konto bei der Nationalbank führen dürfen. Von diesen und sieben weiteren Anträgen an die Generalversammlung vom kommenden 29. April will die Nationalbank nichts wissen. Obwohl statuten- und gesetzeskonform eingereicht, hat sie der Bankrat nicht auf die Traktandenliste gesetzt. Die Antragsteller erwägen nun, die Verschiebung der GV zu erzwingen.

Seit Ausbruch der Finanzkrise wird immer mehr Menschen bewusst, dass ihr Geld auf einem Bankkonto bei weitem nicht so sicher ist, wie man das gerne hätte. Und nicht wenige haben auch gemerkt, dass das Geld auf einer Bank gar nicht gesetzliches Zahlungsmittel ist, sondern nur ein Anspruch darauf, der nur für ein paar wenige Prozent der Guthaben erfüllt werden kann.

Diese Sorgen erreichen nun auch die Schweizerische Nationalbank und zwar in Form von zehn Anträgen einer Gruppe von 24 Aktionären aus der Romandie. Und die betreffen zum Teil zentrale Punkte unseres Geldsystems. Schon der erste Antrag hat es in sich: die SNB solle die Bezeichnung «Schweizer Franken» wirkungsvoll schützen. Art. 2 des Gesetzes über die Währung und die Zahlungsmittel bezeichnet Münzen, Banknoten und Sichtguthaben bei der Nationalbank als einzige gesetzliche Zahlungsmittel. «Nicht erfasst vom verfassungsrechtlichen Geldbegriff ist das Bankenbuchgeld, welches im Gegensatz zu Sichtguthaben bei der SNB einem Solvenzrisiko unterworfen ist», schrieb der Bundesrat am 25. April 2012 auf eine parlamentarische Anfrage. Die Unterschiede zwischen Bankengeld und gesetzlichem Zahlungsmittel sind also bekannt und unbestritten.

«Wenn ‹das Geld im verfassungsrechtlichen Sinne› ‹Schweizer Franken› heisst, wie nennt sich dann das ‹Buchgeld der Banken›?» wollen die Antragsteller aus der Westschweiz wissen. Da weder der Bund noch die SNB diese wesentliche Bezeichnung schützten, verwechselten die Bürger das gesetzliche Zahlungsmittel, das die SNB schöpft und verwaltet, mit dem «Geldersatzmittel» aus der Geldschöpfung der Geschäftsbanken. Der Antrag fordert die SNB auf, von den Banken zu verlangen, ihre selber geschöpften Beträge als UBS-Franken, CS-Franken usw. zu bezeichnen. Wie eine solche Forderung konkret umgesetzt werden kann, ist allerdings eine juristische Knacknuss.

Der zweite Antrag zielt in eine ähnliche Richtung, scheint aber leichter umzusetzen: Jeder Schweizer Bürger soll ein Konto bei der Nationalbank führen dürfen. Wie erwähnt, bestehen die gesetzlichen Zahlungsmittel aus Münzen, Banknoten und Guthaben bei der Schweizerischen Nationalbank. Da diese ausschliesslich für Banken, Bund und ihre eigenen Mitarbeiter Konten führt, sind die Unternehmen und natürlichen Personen gezwungen, für den elektronischen Zahlungsverkehr auf das nicht-gesetzliche Zahlungsmittel der Banken auszuweichen (und ihnen dabei noch Kredit zu gewähren). Es ist in der Tat nicht einzusehen, warum die Nationalbank nicht für jedermann, der dies wünscht, ein Konto in gesetzlichem, elektronischem Zahlungsmittel führen kann. Die Rechtsungleichheit zwischen Mitarbeitern der Nationalbank und normalen Bürgerinnen und Bürgern in dieser zentralen Frage der Vermögenssicherung liegt in Art. 13 des Nationalbankgesetzes: «Die Nationalbank ist befugt, ausser den mit ihren gesetzlichen Aufgaben verbundenen Geschäften auch Geschäfte für ihren eigenen Betrieb sowie Bankgeschäfte für ihr Personal und ihre Vorsorgeeinrichtungen zu tätigen.» Dazu gehört offenbar die Normalsterblichen verwehrte Führung von Konten mit pleitesicherem elektronischen Zahlungsmittel – je nach Verlauf der Finanzkrise ein ziemlich wertvolles Privileg.

Ein dritter Antrag will die SNB beauftragen, die von ihr und den Banken effektiv geschöpften Gelder zu veröffentlichen und nicht nur den monatlichen Bestand, aus dem die Zu- und Abflüsse nicht hervorgehen. Die Antragsteller vergleichen den heutigen Zustand mit einer Wasserversorgung, die nur den Stand des Reservoirs an gewissen Stichtagen misst. Namentlich grosse kurzfristige Kredite mit Einfluss auf spekulative Geschäfte bleiben damit dem Publikum verborgen, das jedoch enorm von ihnen beeinflusst wird. Die Aktionäre aus der Romandie schreiben: «Ein öffentlich kotierter Emittent [hätte] Probleme, wenn er seine Aktienemissionen nicht veröffentlichen würde. Nun aber sind die Schöpfer von Währungseinheiten, die in Wirklichkeit Geldmarktpapiere sind, die Einzigen, die keine Publikationsregel einhalten.»
Weitere Anträge fordern u.a. eine transparente Wechselkursberechnung, Änderungen bei der Buchführung, die Erweiterung des Umweltleitbild oder die Verfügbarkeit des Aktionärsregisters für Aktionäre.

Über die brisanten Anträge hat sich bereits ein Schriftverkehr zwischen der Aktionärsgruppe einerseits und dem Bankratspräsidenten Jean Studer und dem Generalsekretariat der Nationalbank andrerseits entwickelt. (hier pdf). Streitpunkt ist die Befugnis der Generalversammlung, dem Bundesrat zu Handen der Bundesversammlung, Änderungen des Nationalbankgesetzes zu beantragen (NBG, Art. 36 f). Nach Ansicht des Bankrates können die Anträge auf Revision des Nationalbankgesetzes nicht zugelassen werden, da sie nicht den gesellschaftsrechtlichen Rahmen der Nationalbank beträfen, andere Behörden und Gesetze tangierten oder juristisch nicht realisierbar seien. Die Westschweizer Aktionäre halten dagegen, die Beschränkung der Anträge auf gesellschaftsrechtliche Belange sei willkürlich; zudem habe der Bankrat gar nicht die Kompetenz, Anträge abzulehnen, zumal alle vom Gesetz vorgeschriebenen Bedingungen erfüllt worden seien. Nachdem neun der Anträge weder zur Verhandlung zugelassen noch mit der Einladung an die Aktionäre verschickt wurden, lassen sich die welschen Aktionäre nun juristisch beraten und erwägen rechtliche Schritte. Im schlimmsten Fall droht eine Verschiebung der Generalversammlung. Zur Debatte steht an der GV einzig der Antrag auf Einsichtnahme ins Aktionärsregister und Erhältlichkeit des GV-Protokolls.

Zentralbanken sind auf der ganzen Welt rechtlich bestens abgesicherte Bastionen der Unabhängigkeit. Nachdem sie die Finanzkrise nicht bewältigen, sondern bestenfalls verzögern konnten und dabei den Banken und Grossinvestoren relativ sichere Gewinne ermöglichten, stehen sie nun vermehrt in der Kritik. Aber nur in der Schweiz hat die Basis die Möglichkeit, sich eine Aktie zu kaufen und Anträge zu stellen, die allenfalls an den Gesetzgeber weitergeleitet werden müssen. Aber nicht einmal das will die Nationalbank zulassen, obwohl sie angesichts der Aktienmehrheit der Kantone keine Sekunde daran zweifeln müsste, sich gegen die aufmüpfigen Romands durchzusetzen. Aber offenbar sind die Fragen so unangenehm, dass sie nicht einmal diskutiert werden dürfen. Wo das Geld beginnt, ist die Demokratie zu Ende.

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Der Autor ist inaktives Mitglied der welschen Aktionärsgruppe, welche die zehn Anträge eingereicht hat.

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3 Antworten auf Nationalbank blockiert unerwünschte Anträge an die Generalversammlung

  1. Chris A. Weller sagt:

    „Zentralbanken sind auf der ganzen Welt rechtlich bestens abgesicherte => Bastionen der Unabhängigkeit.“ – Mit einem Augenzwinkern vielleicht noch …

    Die Geschichte des Geldes und der Banken inkl. Zentralbanken, wer sie denn näher und unorthodox kennt oder noch kennenlernen möchte.

    Eine längst fragwürdige Zentralbank, die nach erpresserischen Vorgaben von Unbefugten handelt und stets nationalen Schein aufrecht zu erhalten sucht. Ihre Aktionäre können nichts anderes als mitzuspielen, wenn ihnen ihre Anteile und Mitgliedschaft lieb genug sind.

    Was haben eigentlich Aktionäre in einer nationalen Zentralbank zu suchen? – Etwa so wie die meisten das Bundeshaus hofierenden Lobbyisten, welche den Volkswillen tatkräftig in der gefälligen Spur halten?

    Letztinstanzliche Rechtsquelle ist zudem der Babylonische Talmud und nicht irgendwelche Statuten für Fassadenkletterer.

  2. carlos schenkel sagt:

    Ironische und fatalistische Aussagen und verwirrende Standpunkte sind einer Meinungsbildung kaum dienlich! Herr Weller was wollten Sie eigentlich ausdrücken? Sollen wir alles fatalistisch hinnehmen, weil es sowieso nicht zu ändern sei? Damit unterstützen Sie den Status Quo, rsp das bisher eingesickerte Gewohnheitsrecht der Geschäftsbanken. Wir wollen aber wieder den ehemals verfassungsrechtlichen Zustand wieder herstellen mit der Vollgeld-Initiative. Sagen Sie dazu nun „JA“ oder „Nein“?
    Besten Dank für eine klare Stellungsnahme

  3. Chris A. Weller sagt:

    Sehr geehrter Herr Schenkel,
    Verwirrend war es für Sie (und wahrscheinlich noch andere) wohl deswegen gewesen, da es mir hier in gebotener Kürze leider nicht möglich gewesen wäre, vorausgegangene sachdienliche Grundgedanken voranzustellen.

    Was ich meinte, hat nur indirekt etwas mit Ihrer ins Feld geführten Reform zu tun. Es ging mir gedanklich um noch gundlegendere Angelegenheiten.

    Ich bin zwischenzeitlich weder für, noch gegen (diese) Vollgeld-Reform. Und zwar deswegen, weil sie nicht wirklich „mit ursächliche Grundprobleme“ offen in die Diskussion gestellt gehabt hatte, sondern nur, aber doch immerhin ein weitgehend fertiges alternatives Konzept als „denkbare“ Zwischenlösung offerierte. – Für einfachere Gemüter wahrscheinlich bereits schon zuviel des Denkens verlangt gewesen.

    Das nicht geringere Dilemma sehen wir bsw. eben nun an dieser seltsamen Nationalbank und ihren Mätzchen, und zwar auch deshalb, weil die meisten das System (dahinter) nicht verstehen oder vlt. auch so tun, als ob. – Ich verstehe es genau genommen auch nicht zu 100 %, aber immerhin.

    Eine Vollgeld-Reform oder Ähnliches mit Biss bräuchte „flankierende“ Massnahmen im kollektiven Bewusstsein und in der objektiven Realität. Zum Beispiel ebenso eine wenig korrumpierbare „Staats-Presse“, die sich selbstkritisch genug gegenüberstehen kann und zudem unzweifelhaft aus Gebühren mitfinanziert würde.

    Und die Geschäftsbanken taten im übertragenen Sinne bisher nichts anderes als das, was auch die übrige massgebliche Privatwirtschaft sich im Verbund mit sog. Globalisierung zunehmend so „an starken Stücken“ geleistet gehabt hat.

    Schuldgeld, Zinseszins, Auftrags-Wissenschaft und Volksverbildung für das Hamsterrad, BV-Revision 1999 und seit einigen Jahren UPIK-Einträge sowie scheinbar zwingende EU-Verträge, wohl zur mittelfristig absehbaren Demontage eines Staatsgebildes, und nicht zuletzt Volksverhetzungs-Paragraphen für einen von fremden Mächten künstlich erschaffenen Feind, um nur wenige hierzu relevante Schlüsselbegriffe zu nennen.

    Betreffend Delegation der Nationalbank-Aktionäre, sie handeln im besten Fall in eigenem Interesse, vlt. ja auch noch teilweise im Interesse der Steuern zahlenden Normal-Bevölkerung. – Wie aber bereits angedeutet, eine Nationalbank kann nur sein, was sich ausschliesslich aus dem sog. Volkswillen heraus legitimiert hat und gelegentlich von Neuem tun muss.

    Hatten wir denn je eine im wahrsten Sinne „Nationalbank“ in CH? – Traurigstes historisches Vorbild sind immer noch die USA, gefolgt von wenigen mutigen, aber doch letztlich gescheiterten nationalen Beispielen der jüngeren Vergangenheit.

    Doch auch die Schweiz war bis heute längst kein souveräner Staat mehr und der durchschnittliche Normalbürger glaubt immer noch zu massgeblich an das, was er zumeist aus der Schule, Zeitungen und TV gelernt hat. – Woran glauben Sie denn noch heute? – Das ist nicht sarkastisch oder ironisch gemeint.

    Die gegenwärtig noch am Ruder sitzenden Spitzen-Funktionäre, federführenden Bediensteten (ehemals Beamten) und parteigebundenen Politiker hatten bisher kein ernst zu nehmendes Interesse an diesbezüglich grundlegenden Reformen haben können, weil „Parteibuch“ und für manche auch ihre Brüder-Loge Garanten ihrer mitunter fragwürdigen Karriere und Reputation waren. Das traditionelle Modell des Miliz-Systems funktioniert heute höchstens noch regional. –

    Wie war das noch mit dem IV/AHV-Skandal in den Neunzigern? – Manche haben einfach ein zu schlechtes Gedächtnis und auch sonst wenig brauchbare Geschichtskenntnisse über länger als 30 Jahre zurück.

    Für den einfachen Bürger spielt all dies nur dann eine massgebliche Rolle, salopp gesagt, wenn nicht mehr jeden Tag strikte ein Schnitzel auf dem Teller liegen kann.

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