Die Freunde der Macht

Die Spitze der Verfassungsfreunde tritt im Streit zurück und will gleich noch die einst strahlende Bewegung auflösen

Im Januar bezeichnete die Führungsriege der Verfassungsfreunde die alternativen Vorstandskandidaten noch als «Putschgrüppli». Jetzt ist sie selber eines.

Am Sonntagnachmittag teilten fünf von acht Mitgliedern ihren Rücktritt aus dem Vorstand der Verfassungsfreunde mit. Gleichzeitig schlagen sie sowohl in ihrem Brief an die Mitglieder als auch in einer Medienmitteilung die Auflösung des Vereins vor. Sie putschen gewissermassen gegen die Gründungsidee der Verfassungsfreunde und gegen die Mitglieder, die nach wie vor ihren Beitrag zahlen und an eine Zukunft des einst strahlenden Vereins glauben.

Dem bemerkenswerten Schritt gingen heftige Auseinandersetzungen voraus. Im Wesentlichen ging es um die Frage, wie dem Verein wieder politisches Leben eingehaucht werden kann. Seit der verlorenen Abstimmung zum Covid-Gesetz vor knapp einem Jahr und dem Rauswurf seines populären Mediensprechers Michael Bubendorf sind die Verfassungsfreunde vor allem mit sich selber beschäftigt. Sie organisierten eine aufwändige Wahl für eine neue Führungstruppe rund um den ehemaligen Geschäftsführer Sandro Meier und die Ko-Präsidentin und Finanzministerin Marion Russek, die sich jedoch auf den Posten einer Beirätin zurückzog, ihren Einfluss aber behielt.

Der neue Vorstand zerstritt sich vor allem ob der Frage, mit welchen Projekten die Verfassungsfreunde wieder zu einer Kraft in der Bürgerrechtsbewegung werden könnten, wo inzwischen andere die Initiative an sich rissen, Nicoals Rimoldi von «mass-voll» zum Beispiel und seinem Projekt einer «Souveränitätsinitiative».

Während der mehrmonatigen Ferienabwesenheit des ehemaligen Geschäftsführers Sandro Meier beschloss der Vorstand, die Initiative von mass-voll zu unterstützen. Ganz einig war man sich allerdings nicht. Die Einen wollten nur Projekte, bei denen die Verfassungsfreunde im Lead sind, Anderen war eine fremde Idee lieber als Untätigkeit. Nach der Rückkehr von Sandro Meier wendete sich das Blatt.

Vor knapp einer Woche gab die neue Vorstandsmehrheit Roland Bühlmann, der eine Zusammenarbeit mit mass-voll einsetzte, 24 Stunden Bedenkzeit für eine Rücktrittserklärung. Andernfalls würde die Auflösung des Vereins eingeleitet. Roland Bühlmann brauchte aber nicht 24 Stunden, sondern bloss 24 Sekunden, um die Forderung abzulehnen.

Und nun, gestern Sonntag, die Ankündigung der Rücktritte per 18. November und – quasi als letzte Amtshandlung – der Vorschlag, den Verein aufzulösen und das Geld an eine Reihe von Organisationen der Bürgerrechtsbewegung zu verteilen. Die verbleibenden Vorstandsmitglieder wurden über den aussergewöhnlichen Schritt nicht einmal orientiert. «Kriminell», sagt Roland Bühlmann im Gespräch mit Transition-News dazu.

Prominente Abwesende auf der vorgeschlagenen Liste der Begünstigen: mass-voll und die Informationsplattform Transition-News, die 2020 massgeblich zum schnellen Aufstieg der Verfassungsfreunde beigetragen hat, damals noch unter dem Namen Corona-Transition. So viel zum Stand der Dinge.

Nun sind die Verfassungsfreunde eine Idee, die sich durch ein bisschen Streit, auch wenn er dauert und heftig ist, nicht aus der Welt schaffen lässt. Ich gehe davon aus, dass die Mitglieder nicht nur im Widerstand gegen Bundesrat und Establishment verbunden sind, sondern auch im Willen, als Staat und als Individuum souverän zu bleiben.

Dieser Wille hat keine politische Heimat, wenn man von der SVP absieht, die aber durchaus noch andere Interessen verfolgt und gelegentlich zu Opportunismus neigt. Und er hat mehr Zukunft denn je. Die Aufgabe der Neutralität und die digitale Kontrolle der Menschen sind nicht nur die grossen Feinde der Souveränität, sondern auch die entscheidenden Themen der Zukunft.

Wenn Krieg herrscht, ist die Neutralität nicht bloss eine Nebensächlichkeit der Aussenpolitik, die der Aussenminister mit einer einfachen Erklärung vor den Medien aufheben kann. Sie ist auch innenpolitisch von grösster Brisanz. Eine Schweiz, in der sich die Freunde des Krieges und die Freunde der Neutralität feindlich gegenüberstehen, ist mit Konkordanz nicht mehr regierbar. Da braucht es Freunde der Verfassung.

Jetzt liegt die Neutralität in den Händen von Altmeister Blocher und seiner SVP. Seine Neutralitätsinitiative ist gut und auf jeden Fall unterstützenswürdig. Aber die SVP sieht die hauptsächliche Bedrohung der Neutralität nicht: das globale Finanzkapital.

Das grosse Geld erobert auf seinem globalen Beutezug immer mehr Länder, zuerst über public-private Partnerships, dann über digitale Kontrolle. Die Folge ist eine Erosion der Selbstbestimmung auf allen Ebenen, von den Medikamenten, über die Temperatur in der guten Stube bis zu den Wirtschaftskriegen, die geführt werden. Das sind Themen, die in die Mitte der Gesellschaft gehören, nicht ins rechte Spektrum.

Die Verfassungsfreunde haben also durchaus Zukunft, wenn es gelingt, den Geist wieder zu Leben zu erwecken und die Organisation von Grund auf zu reformieren und die ursprünglichen Ziele wieder in den Mittelpunkt zu stellen.

Was ist schief gelaufen? Die Verfassungsfreunde sind sehr schnell zu einer reinen, wenn auch ziemlich erfolgreichen Widerstandsorganisation geworden. Sie haben es entgegen der ursprünglichen Zielsetzung verpasst, eine konstruktive Politik zu formulieren. Das wäre nötig gewesen, um den Wirkungskreis über den Corona-Protest hinaus zu erweitern und die vielen Menschen zu erreichen, die spüren, dass in unserem Staat einiges nicht so läuft, wie es sollte.

Natürlich waren auch Egos am Werk und Menschen, die sich von den Möglichkeiten einer grossen Bewegung und dem vielen Geld korrumpieren liessen – Freunde der Macht eben. Und es wurde von Anfang mit unsauberen Mitteln gestritten, mit übler Nachrede, mit Seilschaften und verschlungenen Konten.

All dies kann man mit dem Rücktritt der Freunde der Macht nun hinter sich lassen. Dass sich die Mitglieder ihren Verein, in den sie so grosse Hoffnungen legten, einfach nehmen lassen, ist unwahrscheinlich, auch wenn die Vorbereitungen zur Auflösung schon weit fortgeschritten sind.

Die Schaltzentrale der Verfassungsfreunde ist faktisch geschlossen, die Mitarbeiter entlassen. Der verbleibende Vorstand mit Ko-Präsident Roland Bühlmann, Mark Steiner und Samuel Riggenbach hat nicht einmal die Möglichkeit, mit den Mitgliedern zu kommunizieren. Die Freunde der Macht versuchen in ihren letzten Tagen im Führerbunker, noch Fakten zu schaffen.

Wie wünscht man sich die Verfassungsfreunde?

  • als Suisse miniature, mit einer von unten aufgebauten Struktur, in der die Mitglieder wahrgenommen werden und Handlungsspielraum haben, kommunal, kantonal und national.
  • als politischen Arm und als Parlament der vielfältigen Bürgerrechtsbewegung, in der die einzelnen Gruppen ihre Stimme haben und Projekte realisieren können, die ausserhalb ihrer individuellen Reichweite sind
  • als Brutstätte und Plattform für Menschen, die in Behörden und Parlamenten frei von Parteibindungen Verantwortung übernehmen
  • als Bewegung, die Visionen für eine nächste Schweiz entwickelt und verfolgt, damit das kleine Land im Herzen Europas direktdemokratisch gestärkt aus dieser Krise geht.

Ist der schöne Name noch zu gebrauchen? Bei den Mitgliedern wird er nach einer transparenten Aufarbeitung der Vorgänge den alten Glanz wieder erreichen, geläutert durch die überstandene Krise. In der weiteren Öffentlichkeit wird man mit seriösem, konstruktivem und hartnäckigen Einsatz daran arbeiten müssen. Aber das muss man so oder so.

Widerstand ist easy. Konstruktive, positive Politik, das ist die Herausforderung. Wenn wir es nicht wagen, macht es vermutlich niemand. Mut ist schliesslich die einzige Eigenschaft, die man noch vorspiegeln kann.


Es besteht eine Mailingliste zur Orientierung über die aktuellen Ereignisse rund um die Verfassungsfreunde und zur Sammlung von Kräften, die sich für die Erneuerung dieser wichtigen Bewegung einsetzen wollen. Es freut mich, wenn Sie sich auf dieser Liste eintragen.

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3 Antworten auf Die Freunde der Macht

  1. Als „prominente Abwesende der Begünstigten“ könnte man auch die Giacometti-Initiative zählen. Dennoch werden sich ihre Initianten unverdrossen weiter dafür einsetzen, dass die Giacometti-Initiative vor Juli 2023 zustande kommt.
    In diesem Zusammenhang und wie im Artikel angedeutet, braucht der Schweizer Souverän eine effiziente und schlagkräftige Organisation, die ihm dabei unterstützt, den Politikern (gelegentlich) auf die Finger zu klopfen (Volksreferendum) oder Verfassungsänderungen in die Wege zu leiten (Volksinitiativen). Einzig auf die SVP zu zählen wäre ein Fehler.
    Diese neue Organisation könnte beispielsweise “Verein für den Souverän” oder “Freunde des Souveräns” heissen?

    • Pius Lischer sagt:

      Grüezi Herr Zindel
      Die BV ist „Dank Art. 190“ kein juristisch massgebendes Recht.
      Steuern sind Sozialabgaben sind, weil sie nicht freiwillig sind verfassungswidrige Zwangsabgaben.
      Warum die Zwangsabgaben nicht durch Lenkungsabgaben ersetzen?
      Warum zu diesem Zweck nicht ein Initiativkomitee für eine neue BV gründen weil das zu Neuwahlen führen wird?

  2. Damian Ehrensperger sagt:

    In jedem Fall sollte es möglichst bald weiter gehen mit dem Vorstand. Als Mitglied erwarte ich, dass ich nach der einen Email mit Empfehlung zur Auflösung nun asap Bescheid über die Alternativen erhalte. (auf anderen Kanälen erfuhr ich von Ihrem Einsatz und dass Hr. Bubendorfer auch seine Hilfe anbot was ich beides sehr begrüsse.).
    Lieber asap weiter machen und möglichst bald wieder handlungsfähig sein(!) als zu lange beraten, besprechen und grosse MVs organisieren. Kritiker wird es egal was man macht auch immer geben. Solange eine demokratische Struktur angestrebt wird, kann man später immer noch korrigieren bzw. optimieren. Als Mitglied nützt mir ein Verein der sich mit sich selbst beschäftigt überhaupt nichts. Um das noch deutlicher zu formulieren: Ein Verein der nur über seinen Vorstand und ob die Strukturen oder die Strategie vielleicht noch optimaler werden könnten spricht, jedoch kein Ziel umsetzt, hat für mich als Mitglied keinerlei Nutzen. Seit dem Mediengesetz war der Output von FdV m.E. Null. Nur(!) ein Verein der einen Teil der Ziele (Referendumsfähigkeit, Stimme des Widerstands, vielleicht ab und zu eine Initiative) wirklich umsetzt ist, ist von Nutzen. Daher sollten die Prioritäten asap darauf gelegt werden.
    Ich wurde schon angefragt von unserer FdV Regionalgruppe Präsident zu werden. Sobald es absehbar ist, dass der Verein wieder nützlich wird, bin ich gerne bereit mich zu engagieren. Ich würde mich allenfalls auch im Vorstand engagieren wenn notwendig. Eine Beteiligung an dem Ihnen vorgebrachte Projekts eines ThinkTanks könnte ich mir allenfalls auch vorstellen (ich gründete vor gut 20 Jahren einmal einen Thinktank und wurde damals von Daniele Ganser der damals bei Avenir Suisse arbeitete eingeladen). Aktuell ist das Projekt jedoch nicht aktiv.). Lassen Sie mich wissen was ich dazu beitragen kann, dass die FdV asap wieder aktiv werden können.

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